Seit Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler Energie aus Kernfusion zu gewinnen. Und seit Jahrzehnten vertrösten sie uns auf später. Was ist an der Fusion so schwierig? Die übliche Prognose lautet: In rund 20 Jahren können Fusionsreaktoren den weltweiten Energiebedarf decken. Eine etwas optimistische Schätzung, wenn man bedenkt, dass das weltweit größte Plasma-Fusionsprojekt ITER (für International Thermonuclear Experimental Reactor), das gerade unter großen Geburtswehen in Südfrankreich entsteht, frühestens 2026 mit seinen Versuchen beginnen kann. Für diese erste Testphase veranschlagen die Ingenieure weitere zehn Jahre. Erst danach könnten sie einen Prototyp konstruieren. Bis zum Bau von Reaktoren, die tatsächlich Energie ins Stromnetz abgeben, würden noch einmal Jahrzehnte verstreichen. Unterdessen wächst der globale Energiebedarf weiter.

In der Theorie könnten Fusionskraftwerke die Lösung dieses Problems liefern. Die Kräfte, die nutzbar gemacht werden sollen, gleichen denen im Inneren der Sonne. Die Reaktoren würden mit schwerem Wasserstoff (Deuterium) aus dem Meer gespeist – ohne gefährliche Emissionen wie Rußpartikel oder Treibhausgase. Auch Atommüll fällt nicht an. In der Praxis werden die Fusionsreaktoren die Welt jedoch nicht so verändern, wie es sich die Physiker erhoffen. Die Technologie, die für eine sich selbst aufrechterhaltende und kontinuierlich Energie liefernde Fusion benötigt wird, steckt noch in den Kinderschuhen. Hinzu kommt, dass die ersten Reaktoren viel zu teuer sein werden, um noch in diesem Jahrhundert flächendeckend zu arbeiten.

US-Wissenschaftler wie Edward Moses, Direktor einer Testanlage im kalifornischen Livermore, glauben: Der schnellste Weg zur Nutzbarmachung der Kernfusion ist eine Mischform, das sogenannte LIFE-Modell (für Laser Inertial Fusion Machine), das auch das Problem der Entsorgung von Atommüll zumindest teilweise lösen würde. Dabei richten starke Laserstrahlen ihre Energie auf kleine Kernbrennstofftabletten, die im Inneren aus schwerem Sauerstoff bestehen und von einem Mantel aus spaltbarem Material – Abfall gewöhnlicher Kernkraftwerke oder abgereichertes Uran – umhüllt sind. Die durch den Laserbeschuss ausgelösten Detonationen setzen kurze Kernschmelzen in Gang, die Neutronen freisetzen. Wenn diese auf das spaltbare Material treffen, verursachen sie Zerfallsprozesse, die Wärme für die Energieproduktion freisetzen. Und sie verwandeln den Atommüll in weniger strahlende Produkte. Moses glaubt, er könne bis 2020 einen Prototyp nach dem LIFE-Modell bauen und bis 2030 ein funktionierendes Kraftwerk ans Netz gehen lassen. Vielleicht stimmt die 20-Jahre-Prognose also doch?

Die Welt von Morgen Reihe Überblick:
Teil 1 – Das Klonen von Menschen
Teil 2 – Vorstoß in neue Dimensionen des Raums
Teil 3 – Die nukleare Katastrophe
Teil 4 – Fusionsreaktoren lösen unsere Energieprobleme
Teil 5 – Eine Pandemie breitet sich aus
Teil 6 – Maschinen fangen an zu denken
Teil 7 – Tote Materie wird zum Leben erweckt