Sie sind der Albtraum jedes Skifahrers: Lawinen, die mit ungeheurer Macht zu Tal donnern. Wenn sie einen Menschen mitreißen, beginnt die Uhr zu ticken. Die ersten 18 Minuten sind von entscheidender Bedeutung für die Rettung. In diesem Zeitraum liegt die Chance, lebend aus dem Schnee geborgen zu werden, bei 91 Prozent. Danach sinkt dieser Wert schnell ab, weil die vom Schnee Begrabenen dann den Sauerstoffgehalt ihrer Umgebung aufgebraucht haben und ersticken. Außerdem beginnen sie nun langsam zu erfrieren. Ähnliche Untersuchungen in den Skigebieten Kanadas haben ergeben, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit dort bereits nach zehn Minuten stark abnimmt. Der Grund ist noch nicht erforscht, Mediziner nehmen an, dass die Ursache in dem maritim beeinflussten Klima der kanadischen Skigebiete liegt. Dort ist der Schnee meist wärmer, feuchter und deshalb dichter gepackt, sodass der Sauerstoffvorrat besonders begrenzt ist.

Der Leiter des Instituts für Alpine Notfallmedizin in Bozen, Hermann Brugger, warnt in diesem Zusammenhang davor, Lawinenopfer vorzeitig für tot zu erklären. Nach seiner Erfahrung können Menschen wegen der extrem schnellen und starken Abkühlung bei einem Lawinenunfall einen längeren Atem- und Herzstillstand ohne Hirnschäden überstehen. Als Beleg nennt er den Fall eines 29-jährigen Skifahrers, der in den italienischen Ostalpen erst nach 100 Minuten aus drei Meter Tiefe ausgegraben wurde. Er war bewusstlos, seine Körpertemperatur war auf 22 Grad abgesunken, und sein Herz stand still. Er konnte reanimiert werden und verließ nach 17 Tagen beschwerdefrei die Klinik.