„Bier verursacht schlechten Atem, schädigt Kopf und Magen und ruiniert die Zähne“, schrieb ein Arzt im 13. Jahrhundert. Das hat die Menschen nicht davon abgehalten, es zu ihrem Lieblingsgetränk zu machen – und das weltweit! Seit mehr als 7000 Jahren erfreuen wir uns an dem erfrischenden Gerstensaft. Nicht umsonst pilgern jedes Jahr mehr als sechs Millionen Besucher zur Wiesn nach München: Auf dem größten Bierfest der Welt, dem Oktoberfest, feiern die Brauereien und Wirte 16 Tage lang ihr liebstes Getränk – und das schon seit 200 Jahren! Mehr als 71000 Hektoliter Bier rutschten im letzten Jahr die durstigen Kehlen hinunter. Aus diesem Anlass wollen wir das Lieblingsgetränk der Deutschen genauer unter die Lupe nehmen.

Wer braute das erste Bier?

Die ersten Bierbrauer waren die Mesopotamier. Das belegt eine schriftliche Erwähnung aus der Zeit um 5000 v. Chr., die besagt, dass die Tagelöhner auf der Tempelbaustelle von Erech in Mesopotamien (dem Land zwischen Euphrat und Tigris) einen Teil ihres Lohns in flüssiger Form, nämlich in Bier, ausgezahlt bekamen. Die Sumerer, die erste Hochkultur der Menschheitsgeschichte, und die Babylonier kannten im 2. Jahrtausend v. Chr. bereits rund 20 verschiedene Biersorten, darunter Dünnbier, Schwarzbier, Weißbier, Lagerbier, rötliches Bier. Auch im alten Ägypten war „henqet“ (Bier) ein Grundnahrungsmittel aller Bevölkerungsschichten, einschließlich des Königshauses. Bier bestand zu dieser Zeit hauptsächlich aus Gerste – je nach Sorte wurde Emmer (eine Ur-Getreideart) beigemischt. Ein Bier war umso kostbarer, je mehr es davon enthielt. Ein Reinheitsgebot kannten übrigens schon die Sumerer, allerdings gröberer Art: „Bierpanscher werden in ihren Fässern ertränkt oder so lange mit Bier vollgegossen, bis sie ersticken“, so das Gesetz. Auch die Schankordnung war nicht ohne: „Eine Wirtin, die sich ihr Bier nicht in Gerste, sondern in Silber bezahlen lässt oder die minderwertiges Bier ausschänkt, wird ertränkt.“

Wie wurde aus Gerstensaft Bier?

Auf die Idee, aus Getreide ein alkoholisches Getränk herzustellen, kamen die Menschen wohl durch Zufall: Ließ man einen Brei aus Korn und Wasser einige Tage stehen, fing dieser an zu gären, und es entstand ein süßlicher, wohlschmeckender und vor allem anregender Trunk. Die alten Ägypter weichten ihr dünnes Brot in Wasser ein, bis dieses zu gären anfing, und stellten daraus ihren Gerstensaft her. Aufgrund dieses simplen Verfahrens verwundert es nicht, dass Bier in allen Teilen der Erde auftauchte – und zwar unabhängig voneinander. Mit dem Unterschied der Getreidearten: In Afrika brachte man Hirse zum Gären, in Ostasien Reis, und in Südamerika trank man vergorenen Maissaft. Im Mittelalter wurde Bier noch aus allen vorhandenen Getreidearten gebraut, so aus Roggen, Weizen, Hirse, Hafer oder Dinkel. Dazu mixte man damals Grut, eine Gewürzmischung aus Rosmarin, Salbei, Lorbeer, Anis, Kümmel, Muskatnuss. Grutbier war trüb, süßlich, hatte wenig Kohlensäure, hielt sich nicht lange – und hatte einen gesundheitsschädlichen Ruf: „Bier verursacht schlechten Atem, schädigt Kopf und Magen und ruiniert die Zähne“, schrieb ein italienischer Arzt 1256. Es gab noch weit mehr absonderliche Mittel, die da verwendet wurden: Pech und Ochsengalle, Schlangenkraut und harte Eier, Ruß und Kreide – jeder hatte sein Patentrezept, um das Bier „geschmackig“ zu machen. Kein Wunder, dass die Bierfreunde eiligst nach Gesetzen suchten, um die Qualität des Bieres zu bewahren. Am 23. April 1516 war es dann endlich so weit: Das deutsche „Reinheitsgebot“ war geboren, und seitdem darf Bier aus Deutschland nur aus Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser hergestellt werden. Endlich waren nicht mehr „Hopfen und Malz verloren“.

Bier – eine reine Männersache?

Von wegen – im Mittelalter luden sich die Damen regelmäßig zu „Bierkränzchen“ ein. Das waren freilich keine wilden Gelage, sondern ein gemütliches Beisammensitzen, wo die Frauen gesittet einige Stückchen Brot ins Bier tunkten – ein Vorläufer des heutigen Kaffeekränzchens. Hitziger war die Stimmung dagegen in den damaligen Frauenkneipen, auch „Weiberschulen“ genannt. Das waren Gasthäuser, in denen nur die Damen zugelassen waren. Auch das Brauen war lange in weiblicher Hand: Angefangen bei den Germanen, wo nur die Frauen das Bier herstellten, standen bis weit ins Mittelalter die Frauen am Braukessel. Dieser gehörte bis ins 15. Jahrhundert auch zur Mitgift einer jeden Braut. In den Klöstern gab es neben den Mönchen auch zahlreiche Nonnen, die die Kunst des Brauens verstanden. Die Benediktinerin Hildegard von Bingen fand heraus, dass Bier aufgrund der Erhitzung weniger Bakterien als schnödes Wasser besaß, und empfahl: „Trinkt Bier!“ Auch Luther schwor auf die Braukunst seiner Ehefrau Katharina von Bora und ließ sich das von ihr Gebraute flaschenweise auf seinen Reisen nachschicken.