Gigantische Schulden, Millionen Arbeitslose und Unruhen im Inneren: Die USA befinden sich in einer wirtschaftlichen, militärischen und moralischen Abwärtsspirale. Sicherheitsexperten sehen das Ende der Supermacht vorraus – bis zum Jahr 2020.

Schon Kinder tragen in dieser Stadt Waffen. Jedes Jahr werden zwischen leer stehenden Häusern, Fabrikruinen und Bergen von Müll mehr als 400 Morde verübt. Sie denken dies ist ein Krisengebiet in Südamerika oder im Nahen Osten? Nein – die Rede ist von Detroit, einer Stadt, die einst Symbol für die Industrieweltmacht USA war und die seit Jahren immer mehr verfällt. Doch die Leichen stapeln sich nicht nur wegen den unzähligen Bandenkriegen. Viele sind Opfer der Wirtschaftskrise. Menschen laden ihre toten Angehörigen am Straßenrand ab, weil sie sich die Bestattung nicht leisten können. An Städten wie Detroit kann man den Untergang der Weltmacht deutlicher als sonst wo ablesen. Noch gibt es nicht vieler solcher Orte, doch sie breiten sich aus wie ein Krebsgeschwür. Dass das US-Imperium untergehen wird, davon ist auch der norwegische Zukunftsforscher Johan Galtung überzeugt. Im Jahr 1980 sah der heute 81-Jährige den Fall der Berliner Mauer und das Ende der Sowjetunion binnen der nächsten zehn Jahren vorraus. 1990 wurde seine Prognose Wirklichkeit. Daraufhin prophezeite er, dass der Islam das neue Feindbild des Westens werden würde – elf Jahre bevor die Türme des World Trade Center von al-Qaida zerstört wurden. 2001 schätzte Johan Galtung den Fall der USA auf das Jahr 2020. Doch warum genau die Vereinigten Staaten? Sicherheitsexperten haben bereits jetzt vier große Schwachpunkte ausgemacht.

1. Raketen oder Straßen?

Wer in den USA unterwegs ist, wundert sich über kaputte Straßen und baufällige Gebäude selbst in den Innenstädten: Die gesamte Infrastruktur der Vereinigten Staaten, die Lebensader jedes modernen Staates, nähert sich seit Jahren dem Niveau eines Entwicklungslandes. Straßen sind voller Schlaglöcher, Gleise so gebrechlich, dass selbst der einzige Hochgeschwindigkeitszug der USA meist nur mit 100 km/h fahren kann. 160.000 Brücken sind einsturzgefährdet. Das Stromnetz versagt regelmäßig. Jeden Tag gehen rund 30 Millionen Liter Trinkwasser durch Lecks in den Leitungen verloren. Wohin fließt das Geld der stärksten Wirtschaftsnation der Welt, wenn nicht in die Infrastruktur? Die Antwort ist einfach: in die Rüstung und ins Militär. Die USA unterhalten mehr als 760 offizielle (geschätzt über 1.000 inoffiziell) Militärstützpunkte in 150 Ländern. Es liegt in der Natur eines Imperiums, dass sich dessen Einflussgebiet weit über das Kernland erstreckt. Den Schutz seiner Interessen lässt der Staat sich einiges kosten: 2011 flossen 711 Milliarden Dollar in die Rüstung, das sind 41 Prozent der weltweiten Militärausgaben. Heute stehen die USA mit 16 Billionen US-Dollar bei anderen Ländern (11 Billionen) und der eigenen Zentralbank (5 Billionen) in der Kreide. „Es sind die größten Schulden der Weltgeschichte“, sagt der norwegische Zukunftsforscher Johan Galtung. US-Präsident Obama hat nun begonnen, die Militärausgaben zu kürzen und Invesitionen in die Infrastruktur angekündigt. Selbst das Pentagon plädiert mittlerweile für die Schließung einiger Stützpunkte. Damit zieht sich das Imperium schrittweise aus seinem Einflussgebiet zurück. Folge: Die USA verlieren ihren Status als Weltreich – können aber vielleicht ihr Kernland vor dem Zerfall retten.

2. Der schwindende Anspruch der Macht

Ein Imperium kann niemals alleine agieren. Es braucht Verbündete, also andere Staaten, auf die es sich verlassen kann. Je stärker diese Länder dem Imperium wirtschaftlich, militärisch und politisch unterlegen sind, desto mehr unterliegen sie dem Einfluss des Weltreichs. Und je mehr solcher Verbündeten ein Imperium hat, desto weniger braucht es sich um internationale Gesetze und Regelungen zu kümmern. Nach diesem Prinzip herrschen die USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Ein Beispiel: Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UNO) wird über Sanktionen und Militäreinsätze gegen einzelne Staaten entschieden. Kein Land hat die Entschlüsse des Sicherheitsrats öfter verhindert als die USA (82 Vetos zw. 1966-2007). Bei fast jedem internationalen Abkommen beanspruchen die Vereinigten Staaten einen Sonderstatus. Um die eigenen wirtschaftlichen Interessen zu schützen, hat Washington sämtliche Klimaabkommen boykottiert oder so weit abgeändert, dass sie nutzlos wurden. Und als einziges Land weigern sich die USA, den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anzuerkennen, der Kriegsverbrechen weltweit verfolgt. Der amerikanische Ex-Präsident George W. Bush hatte sogar ein Gesetz erlassen, das die Befreiung mit militärischen Mitteln erlaubt, sollte je ein US-Soldat dort angeklagt werden. Die USA nehmen sich aufgrund ihrer Machtposition Freiheiten heraus, die sich kein anderer demokratischer Staat erlauben kann. Doch sie haben damit auch viel Widerstand bei ihren Verbündeten erzeugt. Das wird sich rächen, je mehr die USA an Macht einbüßen. An der Bereitschaft, zu folgen, lässt sich immer der Status einer Supermacht ablesen, und eben diese wackelt bereits gewaltig. Jetzt weiter Druck auszuüben, kann dazu führen, dass sich Verbündete endgültig abwenden. Andererseits wird jedes Entgegenkommen die Vereinigten Staaten weiter schwächen. Irgendwann sind sie dann bestenfalls noch Partner – nicht mehr aber dominierende Weltmacht.

3. Die weite Schere von Arm und Reich

Wer mehr Geld hat, lebt länger und gesünder als jemand, der arm ist. So weit, so bekannt. Doch britische Wissenschaftler haben jetzt eine Studie veröffentlicht, die vor allem in den Vereinigten Staaten für viel Aufsehen sorgt: Die Gesundheit und das Wohlbefinden eines Landes hängen von nicht von der Menge des Geldes ab, sondern von dessen Verteilung. Und in keinem anderen Industrieland ist die Ungleichheit stärker ausgeprägt als in den USA, nie war dort die Kluft zwischen Arm und Reich größer. 1950 verdienten Vorstandsmitglieder eines Unernehmens ungefähr das 30-Fache eines Arbeiters. Heute sind es rund das 300-Fache. Die Mittelschicht, die jahrzehntelang wie ein Puffer zwischen Arm und Reich lag, löst sich rapide auf – einigen wenigen gelingt der Aufstieg zu den Superreichen, die meisten aber rutschen in die Armut ab. Doch was sind die Folgen dieser Verteilung? „Ungleichheit fördert die Gewaltbereitschaft“, sagt der britische Epidemiologe Richard Wilkinson. „Sie resultiert aus mangelndem Respekt und Demütigung.“ Die Auswirkungen sind unübersehbar: mehr Drogenmissbrauch, mehr Raubüberfälle, mehr Morde. Die Ungleichheit betrifft aber nicht nur die Armen, sondern alle Amerikaner. Die Reichen ziehen sich aus Angst vor der Gewalt zurück. Misstrauen und starker Konkurrenzdruck haben stressbedingte Erkrankungen in aller Bevölkerungsgruppen zur Folge. Verlustängste führen zu Depressionen und zu körperlichen Symptomen. Der Staat muss mehr Geld für die Polizei bereitstellen, den sozialen Abstieg und die Krankheitskosten finanziell abfedern. Dieses Geld fehlt dann für andere Bereiche, etwa für Bildung. So entsteht ein Strudel der Ungerechtigkeit, der die ganze Nation in den Abgrund reißen kann. Die äußere Stärke eines Weltreichs wird immer auch von ihrem inneren Zusammenhalt gestützt – bröckelt die Gesellschaft, zerbricht das Imperium.

4. Siege und wenig Verluste

Ein Imperium darf nicht verlieren, es darf sich nicht zurückziehen, es muss militärisch präsent sein – es muss dem besiegtem Land seinen Stempel aufdrücken. So deutlich gelang das den USA das letzte Mal im Zweiten Weltkrieg. Die US-Soldaten wurden jubelnd als Befreier Europas gefeiert. Das Gute hatte über das Böse triumphiert – die USA die strahlenden Sieger, Ritter in weißen Rüstungen. Doch seitdem haben die USA keinen großen Krieg mehr gewonnen. In Korea 1953 haben sie zwar nicht verloren, aber es war auch kein Sieg – lediglich ein Unentschieden. Länder wie Irak oder Afghanistan konnten nicht befreit werden. Und ihre bitterste Niederlage mussten die USA in Vietnam hinnehmen. Die stärkste Militärmacht der Welt wird 1973 von Reisbauern und Viehzüchtern in die Knie gezwungen: 58.000 Tote, 150.000 verletzte Amerikaner und ein Trauma, das bis heute anhält. Der Vietnamkrieg ist für die USA die Zäsur – nicht nur militärisch, sondern auch psychologisch. Zu viele Soldaten sterben in einem Krieg, der für die meisten US-Bürger sinnlos war. Seitdem wachen die Amerikaner mit Adleraugen über die Zahl der getöteten Soldaten. Schon die vergleichsweise niedrigen Verluste durch Attentate und Bombenanschläge im Irak und Afghanistan führen zu Widerstand im eigenen Land – und schließlich zum Abzug der Truppen. Muss ein Imperium an demokratischen Strukturen scheitern, an der mangelnden Opferbereitschaft der eigenen Bevölkerung? Barack Obama versucht das zu umgehen, und setzt deshalb auf den Kampf mit unbemannten Drohnen. Doch diese Angriffe können den Vereinigten Staaten von ihren Feinden als Feigheit und Schwäche angehängt werden. Und dies würde den Gegner sogar stärken.

 

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