Warmwasser gewinnen durch Erdwärme, umweltfreundlich und bezahlbar heizen: Eigentlich gilt Geothermie als wichtige Energiequelle der Zukunft. Doch in der Kleinstadt Staufen lösten Tiefenbohrungen eine Katastrophe aus. Ein schleichendes Erdbeben wurde für die Bewohner zum Alptraum – und dauert bis heute an. Eigentlich gilt Geothermie als kommende Alternative zu fossilen Brennstoffen. Doch in der Kleinstadt Staufen im Breisgau führte die Nutzung der Erdwärme zur Katastrophe: Nach Bohrungen wurde ein schleichendes Erdbeben ausgelöst, der Erdboden unter dem Stadtgebiet begann sich zu heben. 260 Häuser sind inzwischen durch Risse beschädigt, die Katastrophe dauert an.

Überall Risse, einsturzgefährdete Häuser und die Ungewissheit, wie es weitergehen wird: Die Erde hebt sich unter der Kleinstadt Staufen im Breisgau, am Fuß des Schwarzwalds – und stellt ihre Bewohner vor eine dramatische Zerreißprobe. Sie wollten Vorreiter beim Thema erneuerbare Energien sein, die Erdwärme nutzen und ihre Gebäude damit klimafreundlich heizen. Ein lobenswertes Ziel – doch es löste eine Katastrophe mit schwerwiegenden Folgen aus. Wie riskant ist Geothermie also wirklich? Ist die Nutzung der Erdwärme eher Segen oder Fluch?

Eine Stadt steigt um auf Erdwärme

Das historische Rathaus steht im mittelalterlichen Stadtkern von Staufen. Im Rahmen einer Rathaussanierung plante man 2007 das Heizungssystem umzustellen. Denn steigende Öl- und Gaspreise sowie der Ausstieg aus der Atomenergie machen eine Energiewende dringend erforderlich. Alternative Energien – also Windkraft, Solarstrom oder eben Erdwärme – sind gefragter denn je. Staufens Bürgermeister und der Gemeinderat entschlossen sich daher für Geothermie, um mit der Erdwärme eine erneuerbare und unerschöpfliche Energiequelle nutzbar zu machen.

Energie aus der Tiefe

Geothermie ist Energie in Form von Wärme, die im Erdinneren gespeichert ist. Diese Wärme stammt aus der Zeit der Erdentstehung vor rund 4,7 Milliarden Jahren. Sie steigt stetig nach außen und sorgt für gleichbleibende Temperaturen unter der Erde. Täglich strahlt unsere Erde das Vierfache der Energie, die wir verbrauchen ins Weltall ab. Ein riesiges Potenzial, das ungenutzt verloren geht. 30 Prozent entstammen dabei dem terrestrischen Wärmestrom, also dem Wärmefluss aus dem Inneren der Erde. Die restlichen 70 Prozent entstehen durch den natürlichen Zerfall radioaktiver Elemente im Erdboden.

Für uns Menschen ist Geothermie eine unerschöpfliche Wärmequelle. Schon 10 bis 20 Meter unter der Erde herrscht eine gleichbleibende Temperatur von etwa acht bis 12 Grad Celsius. In Mitteleuropa nimmt diese Temperatur um rund drei Grad pro 100 Meter Tiefe zu, in einigen Regionen sogar erheblich schneller. Es gibt zwei Verfahren, die Erdwärme zu nutzen: Die oberflächennahe und die tiefe Geothermie, die sich durch die Tiefe der Bohrung unterscheiden.

Risse an den Häusern

In Staufen sollte die oberflächennahe Geothermie genutzt werden. Sieben Erdsondenbohrungen bis in 140 Meter Tiefe wurden vorgenommen. Kurz danach zeigten sich erste feine Risse an den Häusern. Experten begutachteten die Bohrungen und stellten fest: Unter Staufen hebt sich der Boden. Heute sind einige Häuser bereits unbewohnbar. Das Bauamt der Stadt bricht förmlich auseinander, es sind Schäden in Höhe von 50 Millionen entstanden.

Chance oder Risiko?

In Deutschland sind derzeit rund 265.000 oberflächennahe Geothermieanlagen in Betrieb. Nur bei etwa 0,3% traten bisher Probleme auf. Eine verschwindend geringe Anzahl. Bei der oberflächennahen Geothermie wird bis zu 400 Meter tief in die Erde gebohrt und bis zu 25 Grad warmes Wasser zum Heizen, aber auch Kühlen von Gebäuden genutzt.

Es gibt vier unterschiedliche Verfahren um die Wärme aus dem oberflächennahen Untergrund zu nutzen: Erdwärmesonden, Erdwärmekollektoren, Grundwasser-Wärmepumpen und erdberührte Betonbauteile, sogenannte „Energiepfähle“. Sie unterscheiden sich in der Art, wie und wo eine Trägerflüssigkeit erwärmt wird. Je nach Region muss abgewogen werden, welches System sich eignet. Die so gewonnene Energie kann mittels einer Wärmepumpe genutzt werden.

Technologie macht’s möglich

Bei diesen geothermischen Systemen ist die Anfangsinvestition zwar höher als bei anderen Heizungen, jedoch ist auf längere Zeit gesehen der Stromverbrauch wesentlich geringer. Somit ist Geothermie eine günstige Alternative zu anderen Energiegewinnungsmethoden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz verpflichtet seit 2009 bei Neubauten dazu einen Teil des Heiz- und Wärmebedarfs über erneuerbare Energien zu decken.

Was ging in Staufen schief?

Staufen liegt im Gebiet des Oberrheingrabens, dessen Untergrund seit rund 30 Millionen Jahren immer in Bewegung ist. So entstanden verschiedene Verwerfungen. Im Untergrund liegen die Gesteinsschichten also nicht ordentlich geschichtet übereinander, sondern sind von diesen Verwerfungen unterbrochen. Das wurde Staufen zum Verhängnis, denn bei einer der Bohrungen wurde eine solche Verwerfung durchstoßen. So verbanden sich zwei Schichten, die nicht miteinander in Berührung kommen sollten.

Links der Verwerfung befindet sich eine Gesteinsschicht, namens Anhydrit. Auf der anderen Seite der trennenden Verwerfung befindet sich artesisches Grundwasser – Wasser, das unter enormen Druck steht. Nach der Bohrung stieg es in die Anhydritschicht auf. Worauf ein chemischer Prozess ausgelöst wurde. Das Wasser drang in die Kristallstruktur des Minerals ein, und das quellfähige Material dehnte sich aus. Bis zu 60 Prozent kann diese Gipsschicht an Größe in der Erde zunehmen. Man spricht bei einem solchen Vorgang auch von einem „Schleichenden Erdbeben“, denn er dauert bis heute an. Staufen hat sich bereits an einigen Stellen um 43 Zentimeter gehoben. Experten kritisieren besonders die mangelnde Voruntersuchung und die fehlerhafte Durchführung der Bohrung. Denn solche Katastrophen lassen sich vermeiden.

Und es geht noch tiefer

Die oberflächennahe Geothermie stellt im Vergleich zur tiefen Geothermie nur einen minimalen Eingriff in die Natur dar. Bei der zweiten Methode wird fünf Kilometer und tiefer in die Erde gebohrt. Genutzt wird die Erdwärme hierbei, um sowohl Strom zu erzeugen, als auch Wohngebiete mit Wärme zu versorgen. Bis heute sind in Deutschland erst 18 Projekte realisiert, rund 18 weitere werden derzeit gebohrt, 70 weitere sind in Planung. Seismische Voruntersuchungen sind bei all diesen Projekten enorm wichtig, denn sie minimieren das Risiko drastisch.

Erst prüfen, dann bohren

Mithilfe von Ultraschallwellen wird ein Abbild der Gesteinsschichten im Untergrund gewonnen. Man unterscheidet in der tiefen Geothermie die hydrothermalen Systeme von den petrothermalen Systemen. Bei ersteren wird Thermalwasser aus wasserführenden Schichten im Untergrund zur Energiegewinnung genutzt. Dieses natürliche Thermalwasserreservoir kann je nach Förderrate zur Erzeugung von Strom und Wärme genutzt werden. Dabei wird das Wasser nach oben gepumpt und ein Teil seiner Wärme, durch einen sogenannten Kältemittelkreislauf, genutzt um Strom und Wärme zu erzeugen. Anschließend wird das Wasser durch ein weiteres Rohr wieder in den Untergrund reinjiziert. Die Förder- und die Reinjektionsbohrung werden gemäß der Fließrichtung des Wassers geplant. Vermischen sich nämlich das bereits genutzte abgekühlte Wasser und das Thermalwasser, sinkt auch die Temperatur des geförderten Wassers – auf Kosten der Wirtschaftlichkeit. Zudem muss ein gewisser Abstand zum ersten Rohr eingehalten werden, um zu verhindern, dass ein stockwerkübergreifender Grundwasseraustausch, ein „Kurzschluss“ entsteht.

Für die petrothermale Nutzung der Geothermie finden sich weitaus mehr Reservoirs in Deutschland. Hierbei wird heißes Tiefengestein genutzt, in dem kein Thermalwasser verfügbar ist. Das Gestein hat eine durchschnittliche Wärme von 150 Grad. Durch „fracking“ können künstliche Risse im Gestein erzeugt oder vergrößert werden. So kann Wasser in diesen Hohlräumen gepumpt werden und sich erwärmen. Anschließend kann das heiße Wasser nach oben gepumpt und zur Wärme-und Stromgewinnung genutzt werden. Aufgrund technischer und wirtschaftlicher Bedingungen ist die Nutzung bislang wenig verbreitet.

Das schleichende Erdbeben kann nicht gestoppt werden

Wie lange sich die Erde in Staufen noch hebt, ist ungewiss. Derzeit sind es nur noch etwa vier Millimeter im Monat, in den Jahren zuvor war es durchschnittlich ein Zentimeter. Doch die Existenzen der Bürger sind bedroht. Ob die Schäden reparierbar sind, kann noch nicht gesagt werden. Die Gemeinde verhandelt mit der Landesregierung von Baden-Württemberg über die Finanzierung der Reparaturen. Dafür wurde auch eine gemeinnützige Stiftung zur Erhaltung der historischen Altstadt (www.staufenstiftung.de) gegründet.

Die Zukunft der Geothermie

Das Schicksal der Stadt Staufen wirft einen negativen Schatten auf die Nutzung der Geothermie. Für die Bürger Staufens bedeuteten die Bohrungen eine Katastrophe, die vermeidbar gewesen wäre. Die Geothermie an sich ist nach Expertenansicht nicht unsicherer als andere Technologien – ganz im Gegenteil. Zudem bietet sie viele Vorteile: Da die Wärme- oder Energiequelle in der Erde liegt, braucht ein Geothermiekraftwerk nicht viel Platz. Zudem ist die Erdwärme grundlastfähig, dass heißt sie kann jederzeit genutzt werden. Damit hat sie einen großen Vorteil gegenüber der Wind- und Solarenergie. Sollten also einmal alle Atomkraftwerke abgeschaltet sein, wird die Geothermie eine führende Rolle in der Wärme- und Stromgewinnung zukommen.

Quelle: weltderwunder.de.msn.com