Der Katastrophenfilm »The Day After Tomorrow« zeichnet ein plausibles Horror-Szenario: Die Erde und fast alles, was darauf lebt, wird schockgefroren – als paradoxe Folge der Erderwärmung. Aber stehen uns laut Klimaforschung wirklich kalte Zeiten bevor?

Wer kennt schon das Larsen-Eisschelf? Diese gigantische Eismasse, die auf dem Meer schwimmt, aber mit den Festlandgletschern der Antarktischen Halbinsel verbunden ist – sie war lange Zeit nur für Polarforscher spannend. Doch ab dem 31. Januar 2002 interessierte sich plötzlich alle Welt für den Eiskoloss. Der Grund: Bilder von NASA-Satelliten zeigten, wie ein 3250 Quadratkilometer großer Brocken – fast so groß wie Mallorca – über einen Zeitraum von fünf Wochen vom Larsen-Schelf abbrach. Schmelzwasser, so vermuten Experten, war durch unzählige kleine Risse tief ins Eis eingesickert, wo es gefror, sich dabei ausdehnte und die monströse Scholle regelrecht absprengte. Die erhielt den Namen »Larsen B«, war 220 Meter dick, wog 720 Milliarden Tonnen und zerbarst nach und nach in Tausende kleinere Stücke.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Antarktis Eis verloren hat. Bereits im März und Mai 2000 hatten sich riesige Brocken vom Schelfeisgürtel gelöst. Bisheriger Weltrekord: ein 10000 Quadratkilometer großes Plateau, das abfiel und ins Ross-Meer trieb.

In Roland Emmerichs Katastrophenfilm »The Day After Tomorrow« ist ein amerikanischer Klimaforscher namens Jack Hall genau auf dem Larsen-Eisschelf unterwegs, das 2002 zerbrochen ist. Und auch in dem Hollywood-Epos bricht die mächtige Scholle ab. Das blanke Entsetzen packt Halls Crew, als dabei eine gewaltige (computeranimierte) Gletscherspalte vor ihnen aufreißt und sie beinahe verschlingt. Realität und Fiktion überschnitten sich: Als das Eis brach, schrieb Emmerich gerade am Drehbuch für seinen Streifen. Der Regisseur damals sarkastisch: »Wir sollten uns mit den Dreharbeiten beeilen, sonst machen wir keinen Spielfilm mehr, sondern eine Dokumentation!«

Ursache für den realen GAU im antarktischen Eis und Hintergrund für den Film-Plot ist die zunehmende Erwärmung der Erde: Sie lässt die polaren Eisfelder schmelzen. Auslöser dieses Klimawandels ist der sich verstärkende Treibhauseffekt. Durch den Anstieg von Klimakillern wie Kohlendioxid (CO2) oder FCKW in der Atmosphäre bekommt der Planet einen Gasdeckel übergestülpt – mit fatalen Folgen: Es strahlt viel mehr Sonnenwärme auf die Erde, als wieder in den Weltraum reflektiert wird. Dadurch entsteht ein Wärmestau – der Globus beginnt langsam zu überhitzen, gewaltige Eismassen schmelzen, und Unmengen kalten Süßwassers ergießen sich in die Ozeane.Regisseur Emmerich nimmt diesen Fakt zum Ausgangspunkt seiner Klima-Apokalypse: Messbojen im Nordatlantik spielen verrückt, melden das Versiegen des warmen Golfstroms auf der Nordhalbkugel.

Als diese »Heizung« völlig kollabiert, ist die Kälte-Katastrophe unausweichlich – eindrucksvoll dargestellt durch Spezialeffekte: Faustgroße Hagelkörner knallen auf Tokio, Tornados verwüsten Los Angeles, eine gigantische Flutwelle lässt New York absaufen. Dann kommt das große Bibbern, die ganze Nordhalbkugel wird unter Eis und Schnee begraben. Wen’s ganz schlimm erwischt, der gerät ins Zentrum von »Superzellen«. Die, so das Drehbuch, saugen minus 101 Grad Celsius kalte Luft aus der Stratosphäre hinunter zum Erdboden: Menschen werden binnen Sekunden schockgefroren.

Emmerichs Bilder sind stark – und sie verunsichern: Einerseits hören und lesen wir fast täglich von der Erwärmung unseres Planeten – andererseits soll uns eine neue Eiszeit bevorstehen. Was stimmt denn nun?

Eine anerkannte Datenquelle in Klimafragen ist das IPCC (»Intergovernmental Panel on Climate Change«), ein zwischenstaatlicher Ausschuss hochkarätiger Experten. Auf der Basis seiner Aussagen werden auch Klimaverhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen geführt. Laut Berechnungen des IPCC ergibt sich für den Zeitraum von 1990 bis 2100 eine weltweite durchschnittliche Temperaturerhöhung zwischen 1,4 und 5,8 Grad Celsius (im gesamten 20. Jahrhundert: plus 0,6 Grad). Die Spanne zwischen beiden Werten ist deshalb so groß, weil sich die Auswirkung der verschiedenen Einflussfaktoren schwer exakt voraussagen lässt: etwa das Bevölkerungswachstum oder der CO2-Ausstoß infolge des Verbrauchs fossiler Brennstoffe. Außerdem ist das Klima träge: Selbst wenn die Menschheit die Emission von Treibhausgasen sofort auf Null brächte, könnte sich die globale Erwärmung noch über viele Jahrzehnte fortsetzen. Ähnlich wie ein Supertanker in voller Fahrt: Um abzubremsen, braucht er mehrere Kilometer.

Fazit: je nachdem wie stark der Planet sich letztlich aufheizt und die Eismassen schmelzen, würde der Meeresspiegel zwischen 20 und 86 Zentimeter steigen. Ohne Schutzmaßnahmen wie hohe Deiche hieße das für viele Küstenlandschaften: Land unter. Die meisten Trauminseln der Südsee würden verschwinden.