Washington – US-Präsident Barack Obama will die wirtschaftliche Führungsrolle Amerikas in der Welt sichern und damit Arbeitsplätze schaffen. Er warnte vor einem Abrutschen in die Zweitklassigkeit: „Wir müssen Amerika zum besten Ort auf der Erde machen, um Geschäfte zu betreiben“, sagte der Präsident in seiner Rede zur Lage der Nation am Dienstagabend. Vor beiden Häusern des Kongresses beschwor er die oppositionellen Republikaner, sich gemeinsam mit ihm den Herausforderungen zu stellen.
US-Präsident unterstreicht Gemeinsames
An einer Zusammenarbeit gehe kein Weg vorbei. „Wir werden uns zusammen vorwärtsbewegen oder überhaupt nicht“, warnte er die Konservativen, die bei der Kongresswahl im November die Mehrheit im Abgeordnetenhaus übernommen hatten.
Zugleich verteidigte der Präsident die umfassende Gesundheitsreform, die er im vergangenen Jahr durch den Kongress gedrückt hatte. Er wisse, dass es Widerstand gegen die Reform gebe, wolle aber auf keinen Fall wieder in die Zeiten zurückfallen, in denen Krankenversicherungen Amerikanern einen Versicherungsschutz verweigern konnten, betonte der Präsident.
Um das Defizit zu bekämpfen, forderte er weitere finanzielle Kürzungen. Die bisherigen Maßnahmen seien nicht ausreichend, und das Haushaltsloch könne nur bekämpft werden, wenn überflüssige Ausgaben überall zusammengestrichen würden. Der Präsident steht unter öffentlichem Druck, die Ausgaben zu kürzen. Mehrere republikanische Abgeordnete haben vorgeschlagen, in dem Haushalt fürs laufende Jahr 100 Milliarden Dollar zusammenzustreichen. Die Staatsschulden der USA haben mittlerweile die Schwelle von 14 Billionen Dollar (10,3 Billionen Euro) überstiegen.
Wirtschaftsmacht sichern und sparen
Die Rede stand ganz im Zeichen des Kampfes gegen die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit bei gleichzeitiger Verringerung des Haushaltsdefizits. In seinen konzilianten Ausführungen nannte Obama in Hinblick auf den Sparzwang aber nur wenige konkrete Maßnahmen.
Zum Abbau des Schuldenberges schlug Obama vor, frei verfügbare Etatposten im Inlandsbereich fünf Jahre lang einfrieren, das sind zwei Jahre mehr, als er bereits 2010 angeregt hatte. Das Land dürfe nicht „unter einem Berg von Schulden begraben sein“, warnte der Präsident. „Das lässt sich nicht aufrechterhalten.“ Auch bei der Verteidigung solle gespart werden.
Viele Visionen, kaum Konkretes
In ersten Reaktionen von Fernsehkommentatoren hieß es, Obamas Ansprache sei „inspirierend“, aber eher „allgemein“ gewesen. Dennoch äußerten sich bei einer Umfrage des Senders CNN noch am Abend 52 Prozent positiv über Obamas Rede, in der die Außenpolitik nur eine untergeordnete Rolle spielte.
Obama setzte sich außerdem für eine Vereinfachung des Steuersystems mit weniger Erleichterungen für die Reichen und – als Geste an die Wirtschaft – für die erste Senkung der Unternehmenssteuer seit 25 Jahren ein.
Obamas Sputnik-Moment
Insgesamt rief der Präsident zu neuen Investitionen in Forschung, Informationstechnologie, Bildung und Infrastruktur auf, um die globale Wettbewerbsfähigkeit der weltgrößten Wirtschaftsmacht zu sichern. Unternehmen müssten Anreize gegeben werden, um technologische Durchbrüche zu erreichen. „Das ist der Sputnik-Moment unserer Generation“, sagte Obama mit Blick auf den gleichnamigen Satelliten, den die damalige Sowjetunion 1957 gestartet hatte – der Beginn des Wettrennens der beiden Supermächte im All.
Im außenpolitischen Bereich hob Obama die Fortschritte in Afghanistan hervor. Weniger Afghanen seien heute unter der Kontrolle von Aufständischen. Obama sagte zugleich, dass die afghanische Führung ihre Regierungsfähigkeit verbessern müsse. Der Präsident kündigte einen weiteren entschlossenen Kampf gegen die Terrororganisation Al-Kaida an: „Wir werden nicht nachlassen, wir werden nicht wanken, und wir werden euch besiegen.“
Der Lagebericht wurde von zahlreichen Fernsehsendern live übertragen. Die Zuschauerzahl wurde vorab auf rund 50 Millionen Menschen geschätzt. (APA/dapd)