„Einem US-Wissenschaftler ist es gelungen, seinen Kollegen fernzusteuern. Er hat seine Gedanken in dessen Gehirn übertragen und eine Bewegung ausgelöst, ohne dass der andere das wollte.“, berichtete die Online-IT-News-Seite Golem vor ein paar Tagen. Was sich wie Science Fiction anhört ist nun amerikanischen Wissenschaftlern der University of Washington in Seattle gelungen. Über eine sogenannte Gehirn-zu-Gehirn-Schnittstelle (Brain-To-Brain-Interface) hat der Informatiker Rajesh Rao auf das Bewegungszentrum seines Kollegen Andrea Stocco zugegriffen. Sie spielten gemeinsam ein Computerspiel: Rao dachte die Spielzüge, Stocco – in einem Raum in einem anderen Gebäude sitzend – drückte die Knöpfe.

Rao spielte dabei ein Computerspiel, bei dem er mit der rechten Hand einen Taste bedienen musste. Aber statt mit seiner Hand tatsächlich den Knopf zu betätigen, dachte er nur daran. Ein EEG empfing die Signale aus dem Bewegungszentrum seines Gehirns und sandte diese an einem Computer. Über das Internet wurden die Daten an dem Computer in den anderen Raum übertragen und von dort an die Spule auf Stoccos Kopf.

Unfreiwillige Bewegung

Der bewegte daraufhin unfreiwillig seinen rechten Zeigefinger und drückte die Leertaste auf der Tastatur des Computers, also die Feuertaste. Später erklärte er, die Bewegung des Fingers habe sich angefühlt wie ein nervöses Zucken. Es handle sich aber nicht um echte Telepathie, beruhigt Rao. Die Technik könne lediglich bestimmte, einfache Gehirnströme auslesen. Sie ermögliche es auch nicht, Menschen gegen ihren Willen zu beeinflussen. Beide Probanden trugen eine spezielle Ausrüstung, das Experiment fand unter Laborbedingungen statt.

Brain-to-Brain-Interface

Steuern wir in naher Zukunft alles per Gedanken?

Morgens aufwachen, schnell den Toaster einschalten, dem Arbeitskollegen eine Email schreiben, dass man sich um ein paar Minuten verspäten wird. Auf dem Weg ins Bad kurz an einem Screen an der Wand die neusten News abrufen und sich über die Verkehrslage informieren. Und das alles ohne einen Finger zu rühren, sondern allein mit Gedankenkraft. Eine absurde Idee finden Sie? Nicht so das Team von EmotivInsight rund um Gründerin und CEO Tan Le. EmotivInsight ist ein wireless Headset welches die Gehirnströme des Benutzers misst und überwacht, diese an eine mobile App oder an ein anderes Gerät zur Auswertung schickt und mit dessen Hilfe sich die verschiedensten Dinge fernsteuern lassen. Auf Kickstarter hatten sie das bescheidene Ziel 100.000 Dollar für ihre Idee zu sammeln. Binnen kurzer Zeit hatten sie bereits über 1 Million zusammen! Die Programmierschnittstellen sind dabei Open Source, was Entwicklern auf der ganzen Welt die Möglichkeit bieten soll, auf Basis dieses Gerätes Apps und neue Programme zu entwickeln.

Eine Zukunft zum gruseln?

Die beiden US-Forscher meinten nach ihrem Brain-To-Brain Experiment: „Es gibt keine Möglichkeit, unsere Technik, unwissentlich oder ohne deren bereitwillige Beteiligung bei einer Person einzusetzen.“ Skeptiker sehen dies etwas anders. Angesichts der aktuellen Datenskandale ahnen sie schlimmes, dies stelle eine Art Blanko-Scheck für die Überwachung bis ins menschliche Gehirn dar. Selbstverständlich würde man die Menschen nicht zwingen können sich solch ein Gerät zu kaufen und es ständig zu benutzen. Doch betrachtet man zukunftsreiche Projekte wie das EmotivInsight, wird einem schnell klar, dass man gar niemand zwingen muss. Die Menschen benutzen es freiwillig unter der Annahme, dass man sich über die Sicherheitsfragen wohl so seine Gedanken gemacht haben wird. Dass die Realität hinsichtlich Sicherheitsgedanken leider eine ganz andere ist bestätigt unter anderem die Suchmaschine Shodan.

Ein mögliches Horrorszenario – Gedankenkontrolle oder Tod

Wem verschwörerische Gedankengänge nun etwas zu weit gehen, der wird mit dieser Einstellung vermutlich recht haben. Doch spaßhalber kann und sollte man sich auch Gedanken über den Worst Case machen. Theoretisch wäre es somit mit einem ähnlichen Gerät wie dem EmotivInsight möglich – sofern das Gerät in beide Richtungen Signale schicken könnte – die Gehirnströme eines Menschen zu messen aber auch zu beeinflussen. Wenn das Gerät über das Internet kommuniziert, ist es auch angreifbar (Black-Hat-Hacker, o.a. Crackers) oder kann gar vom Betreiber des Programms missbraucht werden.

Man stelle sich also vor, das Gerät erfülle seinen Verwendungszweck in der Spieleindustrie und der Nutzer spielt gerade ein Online-Ego-Shooter-Spiel. Spiele werden immer realistischer. Neu erfundene Anzüge zeigen realistisch durch Vibration an ob man getroffen wurde. Aber wieso einen Anzug tragen, wenn man das Gefühl auch einfach ins Hirn induzieren kann? Sie sehen schon wo diese Gedankenreise endet. Missbräuchlicher Einsatz, Programmierfehler oder Cracker könnten somit auch andere Muskeltraktionen erzwingen oder epileptische Anfälle auslösen.

Ein zu furchteinflößender Gedankengang? Nun dann eben etwas banaler. Das Gerät aus unserem ersten Gedankenspiel könnte man auch prima beim heimischen TV-Zapping benutzen. TV-Gammeln in seiner edelsten Form, sie müssten nicht einmal mehr den Finger zum wechseln eines Senders bewegen. Seit dem letzten Update Ihres Gerätes wäre es auch möglich das Gefühlszentrum ihres Gehirns zu stimulieren. Die Tragweite des neuen Features wird ihnen wohl bei der nächsten Shopping-Tour bewusst. Während Ihnen beim Anblick der sonst so geliebten M&M’s beinahe übel wird, können Sie sich das Strahlen beim Kaufen eines Snickers gar nicht erklären.


Affe kontrolliert einen Roboterarm mit seinem Gehirn

 

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