Jetzt wendet sich sogar ein hochrangiger konservativer Europa-Politiker von dem Anti-Piraterie-Abkommen ab. Der Grund: Die Akzeptanz fehle. Die Zukunft des Anti-Piraterie-Abkommen Acta (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) ist ungewisser denn je. Am Dienstag erklärte der französische Fraktionsvorsitzende des Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Joseph Daul, gegenüber dem Online-Portal cuej.info sogar: „Acta ist am Ende.“ („Acta c’est fini“) Es fehle die notwendige Unterstützung.

Daul ist damit der erste hochrangige Politiker aus dem konservativen Unterstützer-Kreis des Abkommens, der nach den Protesten der vergangenen Wochen umschwenkt. Seine Stimme ist wichtig, weil die EU-Mitgliedsstaaten die Ratifizierung des Abkommens aussetzen können, wenn das EU-Parlament bei der für den Sommer geplanten Abstimmung Acta ablehnen würde. Die EVP stellt die größte Fraktion im Parlament.

Am Mittwochmittag jedoch ruderte Daul leicht zurück. In einem Pressestatement erklärte er, dass seine Fraktion am Ziel Actas festhalte, den Kampf gegen Produktpiraterie effizient zu führen. „Der Ratifizierungsprozess von Acta im Europäischen Parlament habe gerade erst begonnen“, teilt Daul mit. „Wir werden Acta genau untersuchen und dabei alle Bedenken berücksichtigen, die Einschränkungen des Internets fürchten.“ Nun sei eine Debatte notwendig, die auf Fakten basiere.

Deutschland hatte die Unterzeichnung des Vertrags in der vergangenen Woche aufgrund der zunehmenden Debatte auf Eis gelegt. Das Justizministerium erklärte, zunächst müssten „offene Fragen“ geklärt werden. Dagegen betonte Regierungssprecher Steffen Seibert, das Abkommen sei „richtig und wichtig“. Aus der Regierungskoalition waren widerspüchliche Stimme zur Zukunft des Acta-Abkommens laut geworden.

Das Justizministerium hatte Anfang der Woche deutlich gemacht, dass man sich an der Entscheidung auf europäischer Ebene orientieren wolle: In der Bundespressekonferenz sagte ein Sprecher, dass sich die Bundesregierung gar nicht mit dem Abkommen beschäftigen müsse, wenn das Europaparlament das Abkommen ablehnen würde.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte am Freitag ausdrücklich, dass die ACTA-Debatte „so engagiert und öffentlich geführt“ werde. „Es ist notwendig und geboten, dass alle Fakten auf dem Tisch liegen.“ Jetzt müsse sich das Europaparlament mit dem Abkommen befassen und „entscheiden, ob es ACTA will oder nicht will“. In Deutschland gebe es hierzu jedenfalls keinerlei Gesetzgebungsbedarf.

Europaparlament muss das Abkommen ratifizieren

Erst am Wochenende hatten deutschlandweit Zehntausende gegen das Abkommen protestiert. Sie befürchten, dass Acta die Freiheit im Internet einschränken könnte. Zudem behaupten sie, dass Acta intransparent zustande gekommen sei und die betroffenen Interessengruppen in die Ausarbeitung nur zum Teil einbezogen wurden.

Die EU-Kommission will mit dem Abkommen geistiges Eigentum wie Patente oder Marken wirksamer schützen. Acta kann in Kraft treten, wenn es von den einzelnen Parlamenten und dem Europarlament ratifiziert wird. Bisher haben dies weder Europaparlament noch ein nationales Parlament gemacht.

Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, dass Acta nichts an der Gesetzeslage in Deutschland ändern würde. Anbieter im Internet dürften schon heute nicht den Datenfluss ihrer Kunden ausspähen. Zudem seien etwa Raubkopien bereits schon jetzt von Musik oder Spielen verboten.

Quelle: www.welt.de