Das Auswärtige Amt will das Urheberrechtsabkommen Acta doch noch nicht ratifizieren. Die Bundesregierung folgt damit Polen, Tschechien, Lettland und der Slowakei. Deutschland wird das internationale Urheberrechtsabkommen Acta nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa vorerst nicht unterzeichnen. Das Auswärtige Amt habe die bereits erteilte Weisung zur Signierung des umstrittenen Vertragswerks wieder zurückgezogen, hieß es aus Regierungskreisen.

Damit folgt die Bundesregierung den Regierungen von Polen, Tschechien und Lettland sowie der Slowakei, die ebenfalls beschlossen haben, die Ratifizierung vorerst auszusetzen.

Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen) wurde im Januar von einer EU-Delegation sowie von 22 der 27 Mitgliedsstaaten unterzeichnet. Deutschland habe den Vertrag nur aus formalen Gründen noch nicht mitunterzeichnet, die fehlende Unterschrift werde „in Kürze“ nachgeholt, hieß es daraufhin im Auswärtigen Amt. Der auf Initiative der USA und Japans ausgehandelte Vertrag regelt unter anderem die „Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums im digitalen Umfeld“.

Justizministerin sieht keinen Handlungsbedarf

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte noch vor wenigen Tagen gesagt, aus dem Abkommen lasse sich keine Aufforderung zur Veränderung der geltenden Rechtslage ableiten, in welche Richtung auch immer. „Deshalb sehen wir es auch nicht so kritisch, wie es einige Initiativen sehen.“ Mittlerweile will sie aber erst das EU-Parlament über Acta abstimmen lassen, bevor das Abkommen dem Bundestag vorgelegt werden soll.

In der Zwischenzeit verstärkten sich die Proteste gegen Acta, zahlreiche Internet-Aktivisten mobilisierten zu einer Kampagne gegen das Abkommen. Die Grünen, die Linke und die Piratenpartei sprachen sich ebenfalls gegen Acta aus. Bedenken wurden auch innerhalb der FDP laut. Für Samstag werden mehrere Zehntausend Teilnehmer bei Anti-Acta-Demonstrationen in 60 deutschen Städten erwartet.

Anlässlich der angekündigten Demonstrationen verteidigte der Vorsitzende des Arbeitskreises Netzpolitik der CDU, Michael Kretschmer, das Abkommen. Es sei richtig, internationale Regeln für das Internet aufzustellen. Gleichzeitig müsse es aber eine Debatte in der Bevölkerung über den vorgeschlagenen Vertrag geben, um Aufregung zu vermeiden, sagte Kretschmer. Er sagte aber, dass durch das Abkommen weder die Haftung von Internet-Service-Providern verschärft würden noch führe es zu Netzsperren.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz sagte: „Bei Acta  ist über die Grenzen hinweg ein europäischer zivilgesellschaftlicher Widerstand entstanden. Und dass der sehr mächtig ist, hat man bereits bei den Gesetzesinitiativen in den USA gesehen.“ Dort schafften es Aktionen wie ein eintägiger „Blackout“ mit Beteiligung unter anderem von Wikipedia, die geplante Verschärfung des Urheberrechts unter den Schlagworten Sopa und Pipa im US-Kongress erst einmal zu stoppen.

Die Emotionen gehen im Netz mitunter so hoch, dass die sachliche Diskussion zu kurz kommt. So wurde der Widerstand gegen Acta zu einem Freiheitskampf hochstilisiert, obwohl der Wortlaut des Vertrags nichts enthält, was eine Änderung der Gesetze in Deutschland nötig machen würde. Allerdings sind viele Formulierungen so vage und allgemein gehalten, dass sie Spielraum für Interpretationen lassen. Und die Intention von Acta folgt der traditionellen Linie des Urheberrechts, wie es lange vor dem Internet entwickelt wurde. Ignoriert werden hingegen Vorschläge, die den Urhebern geistiger Werke die ihnen zustehenden Einnahmen sichern sollen, gleichzeitig aber die Interessen der Allgemeinheit im Netz anerkennen.

Mit Acta werde das „veraltete Urheberrecht zementiert“, kritisiert der Parteichef der Piraten, Sebastian Nerz. Und Acta sei „ein Musterbeispiel für die Art und Weise, mit der die Politik derzeit Vertrauen zerstört – an die Stelle parlamentarischer Arbeit und offener Gesetzgebungsverfahren treten internationale, intransparente Geheimverhandlungen und Vertragswerke, die so schwammig sind, dass sie ohne Kenntnis der nicht-öffentlichen Verhandlungsprotokolle nicht abschließend bewertet werden können.“