Nach dem Blutbad von Haditha kam ans Tageslicht, dass 60 Prozent aller US-Kampfpiloten bei Einsatzflügen über dem Irak oder Afghanistan die Partydroge Ecstasy einnehmen. Bei der Airforce heißen die Speed-Tabletten „Go-Pills“. Ihr dienstlicher Einsatz ist tatsächtlich durch das „Einsatzprogramm des HQ PACAF (Headquarter Pacific Air Forces)“ ausdrücklich geregelt. Zurück vom Kampfeinsatz, schlucken die Piloten „No-go-Pills“, die dabei helfen, wieder zur Ruhe zu kommen und einzuschlafen.

Bereits die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg experimentierte mit bewusstseinsverändernden Drogen. In Kiel wurde 1944 die Speed-Pille D-IX entwickelt, ein Kombi-Präparat aus fünf Milligramm Kokain, drei Milligramm Pervitin (ein synthetisches Stimulanzmittel), fünf Milligramm Eukodal (ein schmerzstillendes Morphinpräparat) und einem synthetischen Kokain der Firma Merck. D-IX sollte die Soldaten bis zu 60 Stunden lang bei höchster Aufmerksamkeit wach halten und damit die Wehrmacht zum Endsieg verhelfen. Bevor es jedoch flächendeckend eingesetzt werden konnte, war Deutschland besiegt.

Die Manipulation von Soldaten gehört seit je zu den wichtigsten Aufgaben der Militärs. Absoluter Gehorsam und der effektive Gebrauch tödlicher Waffen müssen erst einmal trainiert werden. Der Mensch ist dafür von Natur aus nicht geschaffen. In modernen Armeen sind Soldaten deshalb der größte Risikofaktor für einen erfolgreichen Kriegsverlauf. In fast allen Situationen ist das technische Material dem Menschen haushoch überlegen. Kampfjets sind für Flugmanöver geeignet, die der menschliche Körper nicht aushalten kann. Waffenleitsysteme funktionieren akkurater als jeder Scharfschütze. Und Computer berechnen strategische Optionen schneller als jeder Offizier.

Nur darum versuchen Militärs, den Einsatz von Menschen zu verhindern, wo immer es geht. Ferngesteuerte Roboter entschärfen Sprengsätze, und über den Schlachtfeldern sind unterdessen mehr unbemannte Drohnen unterwegs, als mit Piloten besetzte Kampfflugzeuge. Selbst die meisten Einsätze gegen Al-Qaida-Führer in Afghanistan, Somalia und Jemen werden von Kampfdrohnen ausgeführt. Die unbemannten Flugobjekte vom Typ Predator töten ihre menschlichen Zielobjekte mit hilfe von Tarnkappen-Technologie und Hellfire-Raketen, die an ihrem Rumpf befestigt sind.

Nur das menschliche Gehirn ist im Moment noch unersetzlich im Krieg. Schneller und besser als jeder Computer kann es komplexe, mehrdimensionale Situationen erfassen und angepasste Reaktionen entwickeln. Das ist sein Vorteil. Sein Nachteil – aus militärischer Sicht – liegt darin, dass es Handlungen moralisch bewertet. Das verzögert manchmal den Schießbefehl, und gelegentlich wird er sogar verweigert.

Deshalb arbeiten die Militärs verstärkt daran, die Nachteile des menschlichen Gehirns auszuschalten und nur die Vorteile zu nutzen. Drogen sind ein Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Aber die Experten wissen innzwischen, dass die Gehirnforschung noch bessere Methoden bereithält: Sie sind dabei, einen Cyber-Krieger zu entwickeln, dessen Gehirnströme direkt mit dem Waffensystemen verbunden sind.

Bereits vor fast zwanzig Jahren sagte der Militärforscher Chris Hables-Gray: „Heute wird der Soldat umgebaut, um lückenlos in die Waffensysteme zu passen. Die Grundeinheit jedes Krieges, der menschliche Körper, dier der Ort dieser Veränderungen – sei es der „wetware“ (Hirn/Hormone), der „software“ (Gewohnheiten, Fähigkeiten, Disziplin) oder der „hardware“ (Körper). Der postmoderne gemeine Soldat ist entweder tatsächlich eine Maschine, oder er wird durch Psychotechnologien wie Drogen, Disziplin und Führung dazu gebracht, wie eine Maschine zu handeln.

Wie weit die Militärs bei dieser Umwandlung von Mensch zu Mensch-Maschinen-Systemen bereites gekommen sind, hat jetzt die berühmte Royal Society, die britische Akademie der Wissenschaften, in einem umfangreichen Bericht zusammengetragen. Der Einsatz von Drogen steht darin gar nicht mehr zur Diskussion. Er ist selbstverständlich in modernen Armeen, allerdings nur noch als Begleitmaßnahme für viel tiefer greifende Veränderungen im Berufsbild der Soldaten.