Seit Anbeginn begleitet der Mond die Menschheit. Sein Licht wird als Quell des Lebens verehrt und als Todesbote gefürchtet. Die Macht des Mondes lockt Astronauten in den Weltraum und lässt Künstler träumen. Der Mond war stets mehr als nur ein stiller Begleiter: Ohne ihn wäre die Erde wahrscheinlich unbewohnt.

Die Erde vor 4500 Millionen Jahren: Auf dem jungen Planeten gibtes noch kein Leben, das Zeuge derbevorstehenden Katastrophe werdenkönnte. Aus den Tiefen des Alls nähert sich unaufhaltsam eingewaltiger Asteroid. Mit einem Durchmesser von knapp 6800 Kilometern ist er mindestens so großwie der Mars – und auf Kollisionskurs. Ein direkter Treffer würde die Erde sofort pulverisieren. Doches kommt nur zu einem Streifschuss, dessen Wucht die Hiroshima-Atombombe noch immer umein Millionenfaches übertrifft. Riesige Trümmer legen sich mitden Resten verdampfter Materiewie ein Ring um die Erde. In nur hundert Jahren wird sich aus den Brocken ein neuer Himmelskörperformen.

Es ist die Geburtsstundedes Mondes. Unter vielen Theorien hat dieses Kollisionsszenario in der Wissenschaftderzeit die Nase vorn. Vereinzelt spekulieren Forschernoch, ob der Mond als einsamer Vagabund durchs All reiste und von der Erde ohne großen Knalleingefangen wurde. Doch dafür hätte sich der Trabant im Schneckentempound in einem ganz bestimmten Winkel heranpirschen müssen. Ähnlich schlechte Karten haben die Befürworter der Tropfentheorie. Nach ihrer Ansicht raste die Erde einst wie ein heißer Tropfen um die eigene Achse und warf dabei nach und nach die Materie des Mondes von sich. Es gibt jedoch keinen einleuchtenden Grund, warum unser Planet seinTempo plötzlich dramatisch verringert haben sollte. Einigkeit besteht jedoch in einem entscheidenden Punkt: Mit dem Mond kamauch das Leben auf die Erde.

Was wäre die Erde ohne den Mond?

Wenn sie das Verhältnis von Erde und Mond beschreiben sollen, sprechen Astronomen oft von einem Doppelplaneten. Ohne ihren treuen Weggefährten hätte sich die Erde vollkommen anders entwickelt. Während der nächtliche Mond bei Verliebten den Puls beschleunigt, wirkt er an anderer Stelle wie ein riesiger Bremsklotz: Seine Anziehungskraft steuert gemeinsam mit dem weitaus schwächeren Einfluss der Sonne die Gezeiten und lässt Ozeane sinken und steigen. Im Rhythmus von Ebbe und Flut werden riesige Wassermassen bewegt, die der irdischen Bewegungsenergie einen ständigen Dämpfer verpassen: Ohne diese mäßigende Kraft würde sie sich bis zu dreimal schneller drehen. Dieses enorme Tempo brächte auch den Wind mächtig auf Trab. In der Atmosphäre einer mondlosen Erde tost eine Art Dauerorkan, dem auch der mächtigste Baum nicht standhalten kann. Sollten in diesem Wetterchaos überhaupt Pflanzen wachsen, klammern sie sich flach ans Erdreich. Der Mensch als Spross auf Bäumen heimischer Primaten hätte unter diesen Umständen nie das Licht der Welt erblickt. Bei gerade einmal fünf Stunden Licht pro Tag würde das Leben vollkommen anders aussehen und müsste sich mit stockdunklen Nächten herumplagen, in die nicht ein Strahl Mondlicht fällt. Eine andere Eigenart hätte funktionsfähige Ökosysteme vielleicht sogar im Keim erstickt. Ohne seinen Mond torkelt der blaue Planet wie ein angeschlagener Boxer durchs All. Derzeit sorgt der Erdtrabant für eine relativ stabile Erdachse, die überall auf der Erde ein konstantes Klima garantiert. Wird der Planet nicht von außen auf der Spur gehalten, ist der Äquator ständig in Bewegung. Auch wenn seine Kreiselbewegung Millionen von Jahren dauert, hätten es die ersten Lebensformen im Wechselbad von warmen und kalten Temperaturen extrem schwer gehabt.

Leben im Rhythmus des Mondes?

Vor rund 400 Millionen Jahren wagten die ersten Tiere den Sprung aus dem Wasser an Land. Bis dahin hatte die Evolution Milliarden von Jahren Zeit gehabt, um aus frühen Aminosäuren immer komplexere Moleküle zu formen. Die sich bildenden Ein- und Vielzeller trieben im Takt der Gezeiten – der Mond bestimmte den Rhythmus ihres Daseins. Gleichzeitig versorgte er die Ursuppe ständig mit neuen Nährstoffen, indem er unermüdlich das Wasser hob und bei jeder Ebbe Mineralien aus der Küste herauswusch. Anders als der sich von Sommer zu Winter nur allmählich wandelnde Sonnenschein verraten Voll- und Neumondphasen außerdem in kleinen Intervallen den Fortgang der Zeit. Im Schaukeln der Wellen bringt diese Monduhr bis heute einen verblüffend konstanten Gleichklang hervor. Als Kuppler fädelt der Mond unzählige Romanzen ein. Korallen warten auf sein silbriges Licht, um wie auf ein geheimes Signal ihre Keimzellen ins Meer zu entlassen. Millionen von Ringelwürmern tun es ihnen gleich und überschwemmen Jahr für Jahr mit ihren bis zu 60 Zentimeter langen Hinterleibern die Küsten Samoas. In den abgeschnürten Körperenden befinden sich die Spermien und Eier der Würmer, die so eine Woche nach einer bestimmten Vollmondnacht sicher zueinanderfinden. Für unzählige Krebse und Krabben ist Mond schein die Melodie, die sie zum Paarungsplatz lockt. Würde der Mond plötzlich erlöschen, müsste mit ihm das gesamte Ökosystem der Meere zugrunde gehen. Doch auch an Land ist der Einfluss des Mondes nachweisbar – wenn auch deutlich abgemildert. Sein Licht ist insbesondere für nachtaktive Tiere von Vorteil, die gerade bei Vollmond zu Höchstform auflaufen. Von der hungrigen Eule bis zum pirschenden Ozelot freut sich jeder nächtliche Räuber über den Lichtbonus. Ob auch zu bestimmten Mondphasen gesätes Gemüse ähnlich gut gedeiht wie die Jagd, ist unter Befürwortern und Skeptikern zwar umstritten, klar ist jedoch, dass einige Pflanzen schon im Mondschein keimen und das silberne Licht demnach wahrnehmen.