Künftig, so heißt es in dem Bericht, werden die Gehirne der Kämpfer direkt manipuliert. Die Fortschritte der Neurowissenschaften sollen jetzt in verstärktem Maße dem Militär zugutekommen. Schon bei der Rekrutierung sollen Gehirnscans die Stärken und Schwächen jedes Rekruten diagnostizieren und dazu beitragen, dass seine geistigen Fähigkeiten optimal genutzt werden. So will man feststellen, ob jemand besonders gut darin ist, Zielobjekte in einer unübersichtlichen Umgebung auszumachen, oder ob seine Stärke vor allem darin liegt, unter dem extremen Stress eines feindlichen Beschusses richtige Entscheidungen zu treffen. Bisher wurde bei der Musterung vor allem auf körperliche Fitness der Rekruten Wert gelegt.

Im nächsten Schritt werden die ermittelten Fähigkeiten weiter ausgebaut. Dafür kommen zwei Neuro-Technologien infrage: die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) und die transkranielle Ultraschallstimulation (tUSS). In beiden Fällen wird das Gehirn der Soldaten durch die Schädeldecke stimuliert, ohne dass Elektroden in das Gehirn eingeführt werden müssen.

Bei tDCS werden kaum spürbare Gleichströme an bestimmten Regionen der Schädeldecke angelegt – das wirkt wie ein Turbo fürs Gehirn. An der amerikanischen Universität of New Mexico ist es einem Forscherteam um Vince Clark gelungen, ein Virtual-Reality-Trainingsprogramm für GIs zu entwickeln, das ihre Überlebenschancen bei Einsätzen in Nahen Osten oder in Afghanistan signifikant erhöht. Durch Neurostimulationen gelang es den Soldaten besser, Selbstmordattentäter, Sniper-Schützen und andere versteckte Gefahren im Operationsfeld wahrzunehmen. „Mit tDCS erkannten sie die Ziele erheblich schneller“, sagte Clark, „und ihre Zuverlässigkeit in der Zielerkennung verdoppelte sich. Ich war schockiert darüber, wie starkt der Effekt durch tDCS war.“

William Tyler von der Arizona State University arbeitet mit Unerstützung der US Army Research Development and Engeneering Command (RDECOM), des Army Research Laboratory (ARL) und der Defence Advanced Research Projects Agency (DARPA) an einem Spezialhelm, der nicht nur über vier Sender gezielter Ultraschallimpulse in tiefere Gehirnregionen schicken kann, sondern auch Gehirnaktivitäten misst und analysiert. Diese Ultraschallstimulation soll die Aufmerksamkeit der Soldaten erhöhen und verlängern, das Schlafbedürfnis ausschalten, Angst und Stress reduzieren, nach Verwundungen das Schmerzzentrum lahmlegen und die Kommandos der Offiziere direkt ins Gehirn einspielen.

Das ist der erste Schritt zum komplett neuronal vernetzten Cyber-Krieger. „BMIs“ lautet das neue Zauberwort des Militärs: Brain-Machine-Interfaces, Schnittstellen zwischen Gehirn der Soldaten und Waffensystemen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass das menschliche Gehirn sehr viel besser als jeder Computer in der Lage ist, komplexe Zielsituationen zu entschlüsseln und eine angemessene Reaktion einzuleiten – vorausgesetzt, es gelingt den Militärs, das Bewusstsein der Soldaten auszuschlaten. Wenn die Marines und GIs nämlich erst einmal anfangen zu bewerten, ob es wirklich moralisch vertretbar ist, das anvisierte Ziel zu zerstören, vergeht viel zu viel Zeit für eine effektive Bekämpfung des Zieles.

Deshalb versuchen die Forscher per EEG (Elektroenzephalogramm) die Gehirnströme direkt aus dem Unterbewusstsein abzuleiten, bevor sie in Gehirnregionen gelangen, die im Verdacht stehen, für Moral und Gefühle zuständig zu sein: das VMPFC-Areal über dem Auge oder die temporoparietale Junction hinter dem rechten Ohr.

Die per EEG aufgefangenen Gehirnströme werden nun direkt mit dem Computer in den Waffensystemen von Rakentenwerfern, Maschinengewehren und bemannten sowie unbemannten Flugzeugen verbunden. Damit wird eine mögliche Schießhemmung der Soldaten ausgeschlatet. Trotz der modernen Neuro-Technologien wollen die Militärs im Krieg nicht auf Drogen verzichten. Die BMIs funktionierten nämlich am besten, wenn das Gehirn der Soldaten mit Medikamenten auf seine Aufgabe vorbereitet wird. Um Müdigkeit, Angst, Schmerz oder Gefühle wie Mitleid auf dem Schlachtfeld auszuschalten, werden auch künftig Chemikalien eingesetzt. Und wenn der Cyber-Soldat sich dann schmerzfrei, stark und mutig wie Superman fühlt, werden seine Gehirnaktivitäten in Schießbefehle umgesetzt.

Die vornehme Royal Society allerdings warnt davor, dass dabei eine ganze Reihe rechtlicher Fragen ungeklärt sind. Wenn nämlich menschliche Gehirne und Computer direkt miteinander verbunden sind, wer trägt dann die Verantwortung, falls etwas schief geht? Oder anders gefragt: Wer gibt in diesem BMI-Verbundsystem in Wirklichkeit die Befehle? Der Soldat? Oder der Computer?

Aber derart feinsinnige Unterscheidungen waren im Krieg noch nie besonders gefragt. Nach dem Massaker von Haditha tat das US-Militär zunächst so, als ob das Blutbad an Frauen und Kindern völlig normal gewesen wäre. Erst als Filmaufnahmen einer unbemannten Überwachungsdrohne vom Typ Scan Eagle in der Öffentlichkeit auftauchten, stellte die US-Army die beteiligten Soldaten vor Gericht. Alle bis auf einen wurden frei gesprochen. Der eine erhielt eine Haftstrafe von drei Monaten, die er allerdings nicht antreten musste. Im Krieg gelten eben andere Regeln.

Weitere Informationen zu diesem Thema:
Quelle: Offizieller Wissenschaftsbericht
Video: Elektromagnetische Wellen zur Auflösung von Demonstrationen
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